Zürcher Südkurve

Abstimmung vom 5. Juni

Verwirrung PUR um unsere nahe Zukunft. Eine Sicht der Dinge

Wer hätte das gedacht: Wieder einmal steht uns zum unendlichen Thema Zürcher Stadionbau eine Volksabstimmung ins Haus. Das Stimmvolk erhält einerseits die Möglichkeit, einem sogenannten Objektkredit über 110 Millionen zum Neubau des Letzigrunds zuzustimmen, anderseits kann mit einem "ja" der gleichzeitigen Erhöhung um 11,3 Mio Franken der Segen erteilt werden. Damit soll das Bauwerk, so ist es auf dem Stimmzettel vermerkt, auch noch EM-tauglich ausgestaltet und eingerichtet werden. Wie auch immer: Am 5. Juni sollen sich die Stimmbürger für oder gegen die Durchführung der Europameisterschaften im Jahr 2008 entscheiden. Für oder gegen eine Durchführung der Euro2008 im Letzigrund, und nicht im neuen Bau der ebenfalls auf die Durchführung des Anlasses schielenden ehemaligen Weggefährten der Stadt, der CS.

Wer nun in der ganzen Stadiondebatte die übersicht verloren hat, wer nicht mehr genau weiss, was wann von wem gesagt oder dementiert wurde, dem sei verziehen. Die, vor allem auf finanziellen Vorteil und Prestige bedachten Mitwirkenden in diesem Trauerspiel haben, teils bewusst, teils aus Mangel an Weitsicht und Sinn für Realität eine zünftiges Durcheinander angerichtet. Und so steht zum jetzigen Zeitpunkt nur eines fest: Für ein Fussballstadion, welches auch einen solchen Namen verdient gibt es in der Stadt keine offenen Ohren - der grosse Traum mit unserem Verein, in unserer eigenen Kurve eine grandiose Zukunft zu planen steht nicht zur Diskussion, wird wohl auch nie ein Thema sein.

Stattdessen hoffen nun jene, die es bis anhin nicht verstanden haben ein vernünftiges Projekt zu etablieren im Abriss und Neubau des Letzigrunds, die Lösung für all ihre Sorgen und Nöte gefunden zu haben. Hier soll die von Ihnen selbst verbockte Situation einen glücklichen Ausgang finden, der Schritt ins europäische Rampenlicht glorios gelingen. Jene alterwürdige Stätte also, die Heimat unseres FCZ, Ort von Triumph und Verzweiflung, wo auch im Alltag der eher glanzlosen Schweizer Liga wildeste Emotionen entstehen und gelebt werden, soll zum Rettungsanker der Fehlplaner werden. Während der Stimmbürger über die Investition von Steuergeld zu entscheiden hat, bedeutet es für uns FCZ Anhänger einen rigorosen Einschnitt in alles bisherige - leider mit trüben Aussichten. Wenn am Abend des 5. Juni die Initiatoren als Sieger anstossen, beginnt für uns eine Durstrecke, auf der wir nichts gewinnen aber einiges verlieren können.

Die Europameisterschaft 2008 löst bei den einen freudige Erwartungen aus, andere sehen wegen des Megaanlasses schon jetzt dunkle Wolken am Horizont heranziehen - wobei die Diskussionen mit welchen Konsequenzen der einzelne Fussballfan zu rechnen hat anderswo schon seit längerem geführt werden. Nun - die EM kommt in die Schweiz und, so sieht es aus, auch in unsere Stadt. Angesichts dieser Realitäten empfiehlt es sich für alle das beste aus dem Anlass zu machen. Heisst das also Augen zu und durch? Letzigrund abreissen, Letzigrund neu bauen, Euro2008 feiern und danach weitermachen wie bisher? Heisst das, den Initianten unsere Stimme geben oder sollen wir als Fans des im Letzigrund domestizierten Vereins bei der grossen Party verschnupft abseits stehen. Oder wollen wir versuchen aus der ganzen Geschichte zumindest etwas zu lernen, das ganze als Gelegenheit nehmen um bei der Verteidigung unserer Interessen (kurz: das Bestmögliche für unseren Verein und unsere Kurve) aktiv zu werden.

Die Entscheidung sich in dieser Sache nicht einfach einzureihen und nicht jener Masse nachzuschreiten, welche den Begriff Euro2008 mit wirtschaftlicher Prosperität, Standortvorteil, jener, offenbar nur im Kontext kleinlichen Lokalpatriotismus zu verstehenden Problems der abgewendeten Schande, assoziiert, fällt so gesehen nicht schwer: Zu stossend ist die Ignoranz mit der man unsere Anliegen behandelt, unter den Tisch wischt. Zu Arrogant die Art und Weise mit der man uns kleine Schnäppchen zuwirft, wenn es genehm ist. Wir brauchen uns für eine zusätzliche Saison im Letzigrund nicht zu bedanken. Klar, wer sich darauf freut an der Euro2008 im VIP Bereich das Spiel England - Deutschland anzuschauen ist nicht in der Lage nachzuvollziehen, welche Bedeutung eine über Jahre gewachsene Kurve für den Einzelnen hat, was es bedeutet über Jahre hinweg die selben Hoch und Tiefpunkte zu erleben - miteinander zu leiden und zu feiern - eine Fangruppe kann man doch einfach von Sektor C nach Sektor D verschieben, von Zürich nach Winti oder Baden, wie es grad gefällt.

Fürs Gemüt wurde umgehend eine sogenannte Task-Force gegründet. Eine gutschweizerische Einrichtung, welche in der Regel mehr zur Beruhigung der Betroffenen dienen soll, als der Erarbeitung konkreter Vorschläge. Mitglied dieser Task-Force ist auch der FCZ. Und leider tut sich auch unsere Vereinsführung nicht hervor, wenn es darum geht Nägel mit Köpfen zu machen. Abgesehen vom vagen Vorschlag Guido Honeggers im Igang 3, man könnte auf der Allmend Brunau ein Stadion bauen lässt die Klubführung nichts von sich hören. Wie bitte? Jetzt ein drittes Stadion in Zürich, Hooligans und Ultras dort, wo die Anwohner gerade damit beschäftigt sind eine harmlose Skateranlage zu verhindern, suchen? Natürlich ist der Vorschlag gut gemeint - angesichts der Tatsache das man den Kopf anscheinend weit im Sand vergraben hat , wirkt dieser Vorschlag reichlich unmotiviert.

Natürlich ist es nicht unüblich, dass Sportstätten umgebaut und ganze Fankurven, vorübergehend oder definitiv gezügelt werden - dass wir der Mannschaft weithin folgen, brauchen wir auch nicht zu beweisen. Und so wie sich wohl das Blatt wenden wird, werden wir diese Opfer wohl bringen müssen. Nur, so wie es aussieht werden wir nach der Auszeit auf eine triumphalen Rückkehr verzichten müssen - nach dem grossen Fussballfest werden wir entweder in einem Leichtathletikstadion einquartiert, welches nicht mehr der Letzigrund sein wird, oder man verfrachtet uns, wie versprochen über die Geleise in ein "Stadion", welches, überdimensioniert und protzig, nicht unsere Stätte sein kann, niemals werden kann. Ironie des Schicksal wird sein, dass wir dort in einem Umfeld spielen werden, welches teuer und zu gross für eine Europameisterschaft geplant wurde, die dort nicht einmal stattgefunden hat.

Wer zur Wahlurne schreitet soll ein freies Herzen haben, bzw. die Felder dort ankreuzen wo es ihm beliebt - Trotzdem soll bedacht werden, dass eine ja-Stimme denen zu gute kommt, denen unser Schicksal, unsere Träume und Hoffnungen nicht existent sind.

Zürcher Südkurve


31.05.2005