Zürcher Südkurve

10 MINUTEN «KONKORDATS-STIMMUNG»

Das revidierte Konkordat schränkt nicht nur sämtliche Spielbesucher in ihren Grund- und Selbstbestimmungsrechten ein, es wird auch die Stimmung in den Stadien empfindlich treffen. Mit der heutigen Aktion, die Kurve in den ersten 10 Minuten leer zu lassen, sollen die übrigen Stadionbesucher sowie die öffentlichkeit auf das drohende Szenario im Falle der Annahme des Konkordats aufmerksam gemacht werden. Die 1. Mannschaft wurde im Vorfeld über diese Aktion orientiert.

Am 9. Juni 2013 kommt es im Kanton Zürich zur Abstimmung über das revidierte Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Dieses sieht eine Reihe von Massnahmen wie Alkoholverbote, ID-Kontrollen an den Eingängen, ein Mehr an Kompetenzen für private Sicherheitsfirmen, Anreisevorschriften für Fans etc. vor. Sämtliche Matchbesucher – ob Kurven- oder Tribünengänger, ob Jugendliche oder Familienväter – werden auf diese Weise unter Generalverdacht gestellt und kollektiv bestraft. Das revidierte Konkordat ritzt aber nicht nur an den Grundrechten, am staatlichen Gewaltmonopol und am Selbstbestimmungsrecht sämtlicher Stadiongänger, es droht auch die Stimmung in den Stadien empfindlich zu treffen.

Keine Bürger 2. Klasse
Diese Stimmung geht heute zu einem grossen Teil von den Fankurven aus. Diese befinden sich schon seit geraumer Zeit unter medialem Dauerbeschuss und in der laufenden Konkordatsdebatte entsteht seitens der Befürworter bisweilen der Eindruck, dass man die Massnahmen, welche auch die Tribünengänger treffen werden, möglichst klein zu reden versucht, während man auf der anderen Seite keinen Hehl daraus macht, dass man die Leute in der Kurve so hart wie nur möglich anpacken wird. So wurde auch von Regierungsrat Mario Fehr immer wieder darauf hingewiesen, dass einzelne Massnahmen wie z.B. die Anreisevorschriften „lediglich die Leute aus den Fankurven“ treffen würden (was offensichtlich nicht stimmt). Ganz so, als handle es sich bei den Kurvengängern um Leute zweiter Klasse, deren Rechte wie selbstverständlich eingeschränkt werden können.

Vereinzelte negative Vorfälle rechtfertigen Willkür nicht!
Es trifft zu, dass es in den vergangen Jahren zu einzelnen negativen Vorfällen kam, die ihren Ursprung in den Kurven hatten. Auch trifft es zu, dass sich die meisten Kurven gegenüber der Presse eine Zurückhaltung auferlegt haben, die einige irritieren mag. Diese Tatsachen aber rechtfertigen keine Grundrechtsverletzungen seitens Politik und staatlicher Behörden. Dass in der Vergangenheit zahlreiche Rayonverbote zu Unrecht ausgesprochen wurden, ist bekannt1. Im neuen Konkordat soll nun dennoch die Dauer dieser Verbote sowie der Deliktskatalog ausgeweitet werden: Neu kann z.B. ein Fan, der eines eher niederschwelligen Delikt wie „Hinderung einer Amtshandlung“ verdächtigt wird, mit einem bis zu 3 Jahre dauernden Rayonverbot oder gar einer Meldeauflage belegt werden! Für den so genannten Nachweis genügt die Aussage eines privaten Sicherheits-Mitarbeiters. Nicht nur wird damit das Verhältnismässigkeitsprinzip für eine bestimmte Personengruppe aufgehoben. Auch wird so der Willkür privater Sicherheits-Mitarbeiter oder Polizisten Tür und Tor geöffnet.

Weniger Stimmung, kein Mehr an Sicherheit
Hinzu kommt, dass die im revidierten Konkordat vorgesehene Bewilligungspflicht geeignet ist, die Stimmung aus den Stadien zu fegen. Choreo- und Fahnenverbote oder Sitzzwänge liegen weiterhin absolut im Bereich des Möglichen, auch wenn Regierungsrat Mario Fehr mehrfach eine „Anwendung mit Augenmass“ versprochen hat. Wie weit es mit diesem Augenmass aber bestellt ist, sollte es irgendwo in der Schweiz wiedermal zu einem aufsehenerregenden Vorfall kommen und ob ein Nachfolger Fehrs mit demselben Augenmass misst, steht in den Sternen. Fakt ist, dass das revidierte Konkordat nicht nur in Sachen Bewilligungspflicht auf klare gesetzliche Bestimmungen verzichtet und stattdessen den Polizeibehörden einen riesigen Ermessensspielraum einräumt. Stadien werden damit quasi unter Polizeiund Notrecht gestellt.

Das revidierte Konkordat wird vermeintliche und bestehende Probleme nicht lösen sowie einzelne Vorkommnisse auch in Zukunft nicht verhindern können. Dafür droht es die Stimmung sukzessive aus den Stadien zu vertreiben. Sei es, weil einem Grossteil der Stadiongänger der Spielbesuch aufgrund der Massnahmen vergällt wird, sei es, weil eine Vielzahl der aktiven Kurvengänger mit Rayonverboten und Meldeauflagen belegt sind oder sei es, weil über die Bewilligungspflicht eines Tages Fahnen- und Choreoverbote oder Sitzzwänge Einzug halten werden. Mit der heutigen Aktion wollen wir die Stadiongänger und sämtliche interessierten StimmbügerInnen auf diese Tatsache aufmerksam machen.

Nachtrag:
Im Zuge der kommenden Abstimmung über das Hooligan-Konkordat hat scheinbar auch die Zürcher Polizei am heutigen Sonntag eine Aktion geplant. So wurde der Marsch der FCZ-Fans von der Fritischiwiese vor die Südkurve, der bei Derbys regelmässig stattfindet, von der Zürcher Polizei aus unerklärlichen Gründen mit Gummischrot attackiert und eingekesselt. Der Fanmarsch verlief dabei nicht anders als sonst, gewohnt farbenfroh und lautstark zogen die Fans zum Letzigrund. Rund 300 Meter vor dem Letzigrund wurde der Fanmarsch urplötzlich von zwei Seiten eingekesselt. Die Fans im hinteren Teil wurden mit Gummischrot eingedeckt, dabei zogen sich mehrere Personen Kopfverletzungen zu. Vom Fanmarsch ging bis zu diesem Zeitpunkt keine Aggression aus und auch auf die Einkesselung wurde besonnen reagiert. Leidtragende bleiben die verletzten Fans und die Steuerzahler, die für solche sinnlosen Einsätze aufkommen müssen.


12.05.2013